Männlichkeit und Demokratie
Wie beim letzten Mal ging es sofort nach einer Kennenlernrunde und der ersten Getränkebestellung direkt ins Thema. Dieses Mal beschäftigte uns vor allem die Frage: Wie vermittelt man Demokratie und warum sollten wir dabei vor allem junge Männer und Jungs in den Fokus nehmen?
Hintergrund der Diskussion war eine aktuelle Studie zu politischen Einstellungen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die zeigt, dass die Jungs derzeit zwar weltweit aber eben auch in Deutschland immer konservativer werden und die Mädchen immer progressiver. (ein Artikel dazu z.B. hier: Gender-Gap: Werden junge Frauen linker und Männer rechter? - ZDFheute)
Letztlich geht es um die Angst, an Macht und Privilegien einzubüßen, wenn andere „plötzlich“ nicht nur berücksichtigt werden, sondern mitbestimmen wollen und auch mitbestimmen dürfen, und um eine ziemlich toxische Vorstellung der eigenen Männlichkeit, die man durch all den „modernen Kram“ ja sogar durch ein simples „sich Mühe geben“ bedroht sieht. Die geradezu absurd hysterische Diskussion um das Gendern steht symptomatisch für diese Ablehnung der Moderne und progressiver Politik. Die Angst vor Bedeutungsverlust zeigt sich aber auch z.B. darin, dass selbst junge Männer, die nicht mehr pubertär sind, bei Lehrveranstaltungen, die ihnen nachweislich nützlich sind in ihrem eigenen Leben, weil sie damit einen Berufsabschluss erwerben, das Zuhören oder Mitmachen verweigern, um nicht als „Streber“ weiblich konnotiert zu werden. Dass sie sich dabei selbst schaden, scheint weniger entscheidend zu sein, als die Vorstellung „cool“, also „männlich“ bleiben zu müssen.
Die entscheidende
Frage, die sich aus dieser Diskussion grundsätzlich ergibt, lag denn auch
schnell auf unserem runden Tisch: Wenn die Studienergebnisse und der eigene
Alltag die Diagnose bestätigen, dass wir nicht nur mit den sprichwörtlichen „alten
weißen Männern“, sondern in erheblichem Ausmaß mit der nächsten männlichen
Generation ein Problem haben, wie schaffen wir es dann, ihnen Demokratie wieder
schmackhaft zu machen und sie dafür zu gewinnen?
Wir wären kein
Demokratiestammtisch, wenn es uns nur darum gegangen wäre, uns gegenseitig
unsere Fassungslosigkeit zu erzählen. Es stellten sich gleich auch viele Ideen
ein. Eine davon war es: Demokratie attraktiver zu machen. Feste, Märkte,
Bürgerbeteiligung, Demokratie üben von klein auf und natürlich auch Demokratiestammtische.
All das gehört zu den vielen kleinen Schritten, die getan werden müssen, um im Großen
was zu erreichen. Dementsprechend war auch ein Thema, dass sich im Juni unser
erster Ableger in Friedenau bildet. Wir hoffen noch auf viel mehr! Nachmachen ist
hier ausdrücklich erwünscht!
Schließlich
müssen wir zusammenhalten, wir Demokrat:innen. Niemand schafft es alleine.
Deswegen war ein weiteres Thema, wie wir die demokratischen Parteien dazu
bringen mitzumachen. Einigen scheint die Brisanz der Lage trotz aller
Correctiv-Recherchen und auch trotz der Massendemonstrationen gegen
Rechtsextremismus immer noch nicht klar zu sein.
Dazu passte der
Satz, mit dem sich der ehemalige Kripobeamte später verabschiedete: Er sei hier
zu einem Demokratie-Stammtisch gekommen, aber niemand aus den Parteien mit „Demokratie“
im Namen sei da.
Daher laden wir
ALLE, die sich um die Demokratie sorgen ein, sich auch für sie einzusetzen. Ein
Austausch am Stammtisch ist dabei ein guter erster Schritt.
Nächster Termin:
16. Mai 2024, 19:30 im Naumann Drei in Schöneberg.
Eine weitere Dimension dieser Diskussion macht der SPIEGEL Kolumnist, promovierte Psychologe und Prof. für Digitale Kommunikation an der FH Hamburg, Christian Stöcker, auf. Er identifiziert die "Petromaskulinität" als besondere Form der toxischen Männlichkeit als Hauptursache für unsere Probleme mit Klimakrisenleugnern und Klimaschutzverhinderern. Sein Buch "Männer, die die Welt verbrennen" ist unbedingt empfehlenswert. Hier ein Interview mit ihm: https://www.msn.com/de-de/finanzen/top-stories/m%C3%A4nner-und-das-klima-dieser-stolz-l%C3%A4rm-zu-machen-und-den-planeten-zu-zerst%C3%B6ren/ar-AA1njeC6
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