Miteinander reden
Zwei Monate
haben wir nach einer neuen, dauerhaften Heimat für den Demokratie Stammtisch
gesucht. Nach einer kurzen Episode im „Nonno“, das sich als schön, aber nicht
optimal herausstellte, haben wir sie nun gefunden im
FELSENKELLER,
Akazienstraße 2, Berlin-Schöneberg.
Ein wahrer „Wohlfühlort
für Demokrat:innen“!
Warum?
Es ist der perfekte Raum für Austausch, denn es läuft keine Musik, man kann sich also sehr gut unterhalten, es wird nicht geraucht (was Nichtraucher:innen abschrecken würde), es ist gemütlich, freundlich und es gibt zu essen und zu trinken. Abgesehen davon liegt der Felsenkeller zentral in Schöneberg im schönen Akazienkiez und ist daher gut erreichbar. Dass es sich hier außerdem um eine der ältesten Kneipen Berlins mit Original 20er Jahre Interieur handelt, fügt all den genannten Vorteilen das I-Tüpfelchen hinzu.
Bei unserem ersten Treffen an diesem guten Ort lagen den Teilnehmenden dennoch neben der Freude über die neue Heimat für den Stammtisch all die anderen besorgniserregenden Ereignisse der letzten Zeit auf der Seele und der Zunge: das Aus der Ampel-Regierung inklusive des atemberaubend querulantischen Verhaltens der FDP um Christian Lindner, die Chancen der SPD mit Scholz (oder Pistorius) und der Grünen mit Habeck Kanzler zu werden gegen den momentan sich weltweit immer deutlicher zeigenden Trend nach rechts.
Doch die große Politik ist nur ein Aspekt und ein einschüchternder noch dazu, selbst wenn die Rekordeintritte bei Bündnis 90/ Die Grünen (inzwischen 15.000 seit dem Ampel-Aus) doch auch ein Hoffnungsschimmer sind und zeigen, dass viele Menschen verstehen, dass es nichts nutzt, sich nur daheim an Bildschirmen aufzuregen und ansonsten still zu sein.
Was aber können Einzelne im Alltag tun, um den dennoch deutlichen Trend nach rechts(außen) zu drehen? „Wir sollten mit den Menschen reden, nicht von oben herab, nicht wie Schulmeister, einfach, klar, aber zugewandt“, war denn auch die Meinung eines Teilnehmers. „Es gibt aber auch eine Grenze, ab der es nichts mehr nutzt“, meinte ein anderer. Wo ist diese Grenze? „Ich kann nicht mit jemandem verhandeln, der mich umbringen will“, so ein Golda Meir, israelische Premierministerin (1969-1974), zugeschriebenes Zitat. Aber zwischen den Punkten Konsens und dem unbedingten Willen, den anderen nicht nur zum Schweigen zu bringen, sondern auszulöschen, gibt es viele Graustufen und wo die Grenze des Unerträglichen erreicht wird und kein Dialog mehr möglich ist, ist tatsächlich für jeden unterschiedlich.
So erzählte ein Stammtisch-Teilnehmer von seinem nur wenige Tage zurückliegenden Erlebnis, bei dem er während einer öffentlichen Diskussion mit einem AfD-Stadtrat aneinandergeraten war und die Situation für sich entscheiden konnte. Das anwesende Publikum applaudierte ihm, der AfD-Stadtrat war zusammen mit ungefähr zwei oder drei Gleichgesinnten isoliert in dem Auditorium von ca. 50 Menschen. Hilfreich war dabei das von dem amerikanischen Osteuropa-Experten und Historiker Timothy Snyder empfohlene Prinzip: Bleibe in der Wahrheit. Also Fakten in öffentlicher Rede wahrhaftig, standhaft und unter Einsatz des eigenen Leibes verteidigen.
Doch der öffentliche Schlagabtausch mit Anhängern rechten und rechtsextremen Gedankenguts ist etwas anderes als das 1:1 Gespräch, in das man in Alltagssituationen unverhofft oder z.B. an Wahlkampfständen oder beim Haustürwahlkampf geraten kann.
Gerade diese Situation ist besonders herausfordernd, aber auch besonders spannend und vielleicht die einzige, in der man Menschen „zurückholen“ kann in einen demokratischen Grundkonsens, meinte ein anderer Teilnehmer und erzählte von seinen Erfahrungen mit einem AfD-Anhänger, der ihn lauthals beschimpfte und beleidigte. Statt beleidigt zu sein, wandte er sich an den Mann und sagte: „Ich würde mich ja gern mit Ihnen unterhalten, aber wie soll das gehen, wenn Sie mich so anschreien?“ Nach einer Schrecksekunde ruderte der Mann etwas zurück und tatsächlich kam ein Gespräch zustande. Diese Erfahrung mit einem Demokraten hat zumindest das Potential auch in Zukunft Zweifel an der Richtigkeit des Pöbelns in dem AfD-Anhänger zu nähren. Aber natürlich ist so eine Souveränität gegenüber aggressiven verbalen Angriffen nicht von allen Menschen und nicht zu jeder Zeit zu schaffen. Dem Stammtisch-Teilnehmer half dabei seine berufliche Erfahrung mit Suchtkranken. „Man kann das üben“, meinte er denn auch.
Möglichkeiten sich im Umgang mit Rechtsextremen zu trainieren, gibt es tatsächlich. Hier ein paar Empfehlungen:
oder
https://mbr-berlin.de/wp-content/uploads/2021/02/Handout_Argumentationsstrategien_web.pdf
Abgesehen davon
ist es wichtig, sich zu vernetzen, nicht alleine zu sein und sich
auszutauschen. Der Demokratie-Stammtisch ist eine sehr gute Möglichkeit, damit zu
beginnen…
Nächstes
Treffen: 19.12.2024, 19:30 Uhr
im Felsenkeller, Akazienstraße 2, Berlin-Schöneberg
Wir freuen uns
auf Euch!
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